Ein Wort zum Advent
Die Advents- und Weihnachtszeit mit ihrer vertrauten Mischung aus Eile und Besinnlichkeit steht wieder bevor. Es gehört mittlerweile wohl zum guten Ton, eine besinnliche Adventszeit anzumahnen – wohl wissend, dass gerade diese Zeit von eilend-freudigen Erwartung geprägt ist. Die vollen Innenstädte, die stressige Suche nach Geschenken und der Glühweinduft – sie alle gehören genauso in die Adventszeit wie der Weihrauch an der Krippe, in der am Heiligen Abend die Menschwerdung Gottes vergegenwärtigt wird. Wenn Gott Mensch wird, dann können wir Menschen nicht still stehen; wenn Gott Mensch wird, dann heißt es zur Krippe zu eilen wie damals in Bethlehem die Hirten. Und an Weihnachten wird die Stadt auch in diesem Jahr den Atem anhalten. Ein selten gekannte Stille wird sich am Heiligen Abend über die Stadt breiten. Es ist, als synchronisiere sich die Gesellschaft der Stadt über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg, um dann nach Weihnachten wieder in den Alltag zu gehen. In dieser Nacht wird Friede sein in Wuppertal.
Friede? Wird wirklich Friede sein im Schein der Heiligkeit dieser Nacht? In der Adventszeit werden die Zeitungen doch wieder voll sein von gutgemeinten Ratschlägen, wie man den Stress des Weihnachtsfestes konfliktfrei bewältigt. Es scheint doch fast eher so zu sein, dass die stille Nacht die alltäglichen Konflikte erst laut werden lässt.
Aber nicht nur das: Das Jahr 2014 war wie kaum ein anderes im öffentlichen Bewusstsein von Krieg, Gewalt und Angst geprägt: Die Auseinandersetzungen in der Ukraine, die Grausamkeiten des sogenannten „Islamischen Staates“ im Nordirak, Ebola in Westafrika – die Krisen sind nicht weit entfernt von uns. Sie gehen uns nahe; sie sind uns nahe. Kann man da noch friedlich Weihnachten feiern?
Weihnachten ist nicht das Fest des friedlich-freundlichen Eierkuchens. Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Die Frage: Wo ist denn Gott? wird an Weihnachten beantwortet: In dir, Mensch, in dir kommt er zur Welt.
Das ist ein Zumutung, ohne Zweifel. Denn wer diese Weihnachtsbotschaft versteht, der erkennt, dass Weihnachten mehr ist als ein gemütliches Familienfest. Der menschgewordene Gott begegnet uns im Antlitz der Anderen; den anderen begegnet er in uns selbst. Das hat Konsequenzen, wenn Friede werden soll – nicht nur unterm trauten Tannenbaum. Gott kommt! – wer kann da abwarten?
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit,
Ihr Pastoralreferent Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlichung in der Sonderbeilage „Advent“ der Wuppertaler Rundschau – erschienen am 19.11.2014.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Du kannst einen Kommentar schreiben.